Toni Keppeler, Laura Nadolski. Wasserstress. Noch sind Mexiko-Stadt und der Axolotl nicht verloren. Rezensiert von Thomas Feltes

Toni Keppeler, Laura Nadolski. Wasserstress. Noch sind Mexiko-Stadt und der Axolotl nicht verloren. Rotpunkt-Verlag Zürich, 2025, ISBN 978-3-03973-056-8. 192 Seiten, 25.- Euro.

Warum wird ein Buch über Wasser im Polizei-Newsletter vorgestellt? Weil die Autoren behaupten, dass es eine schon lange bestehenden Feindschaft des Menschen gegenüber dem Wasser gibt? Oder weil der „Kampf ums Wasser“ die kommenden Jahrzehnte prägen und für weltweite Konflikte sorgen wird, die auch an uns nicht spurlos vorbeigehen werden? Schauen wir mal in das Buch.

Die Autoren des im Rotpunkt-Verlag erschienenen Buches nehmen Mexiko-Stadt als Beispiel dafür, was sich in den vergangenen Jahrzehnten in Bezug auf die Verfügbarkeit von Wasser verändert hat, was die Gründe dafür sind, und was man dagegen tun kann.  In und um Mexiko-City sind aus den einstigen dürren Steppen hermetisch versiegelte Stadtlandschaften geworden. Risse im Erdboden tun sich bisweilen so schnell auf und sind so breit und so tief, dass Kleinbusse darin verschwinden können. Aber das ist nicht alles. Mexiko-Stadt verdurstet:

Das Wasser, das der Mensch zum Leben braucht, wurde Mexiko-Stadt und seinem Untergrund so gründlich ausgetrieben, dass in ganzen Stadtteilen seit über einem Jahrzehnt kein Tropfen mehr aus den Leitungen kommt. Millionen von Menschen werden notdürftig mit Tanklastern versorgt. Zuletzt wurde in der gesamten Stadt Trinkwasser strikt rationiert“.

Aber nicht nur Mexiko-Stadt leidet unter akutem Wassermangel. In vielen Multimillionenstädten der Welt wurde auf der Suche nach schnellen Lösungen für die Wasserknappheit das eigentliche Problem mittel- und langfristig nur noch größer gemacht. Die Autoren wählen Mexiko-City aus, weil es dort eine gut dokumentierte Geschichte von fünfhundert Jahren gibt und weil sich nirgendwo sonst in naher Zukunft der vom Menschen verursachte Klimawandel die Lage so dramatisch zuspitzen wird wie hier. Am Beispiel von Mexiko-Stadt zeigen sie auf, was auch in anderen Metropolen geschehen kann, wenn sich der Umgang mit der Natur und ihren Ressourcen nicht grundlegend ändert.

Das Buch hat aber nicht nur einen amüsanten Titel, sondern es geht auch um ein kurioses Tierchen, das Mexiko-Stadt weltweit einzigartig macht: Den Axolotl, einen Schwanzlurch, von dem einst viele Millionen in den Seen im Hochtal von Zentralmexiko schwammen, und der bei uns für 25.- bis 35.- Euro zum Kauf für Aquarien angeboten wird. Er sieht ein bisschen aus wie ein freundlicher Salamander mit Kopfschmuck und war einst eine wichtige Proteinquelle auf dem Speiseplan der Azteken.

Für die Wissenschaft, vor allem für Genetiker, ist er eines der wichtigsten Labortiere weil er eine Fähigkeit hat, die ihn vor allen anderen höheren Lebewesen auszeichnet: Schneidet man ihm eine Gliedmaße ab, wächst diese innerhalb weniger Tage nach. Selbst innere Organe, die Wirbelsäule oder Teile des Gehirns kann der Axolotl ersetzen. Forscher sind seinem Geheimnis auf der Spur, haben es aber noch nicht gelüftet.

Mexikaner lieben ihren Axolotl – und haben ihn doch fast ausgerottet. Nur noch wenige Hundert leben im Rest des einstigen Xochimilco-Sees, gut zwanzig Kilometer südlich des Zentrums von Mexiko-Stadt. Im Lauf der Jahrhunderte ist der Lebensraum des Lurchs mehr und mehr verschwunden. Die kümmerlichen Reste wurden mehr und mehr verschmutzt. Dem Axolotl fehlt heute zum Überleben dasselbe wie den Menschen in Mexiko-Stadt: genügend sauberes Wasser. Und hier sind wir wieder beim eigentlichen Thema: Die Gründe, warum dies so ist, sind bei Mensch und Tier dieselben.

So verknüpfen die Autoren die Geschichte, „die zum großen Durst in Mexiko-Stadt geführt hat, mit der des langsamen Aussterbens des Axolotl. Beide sollen parallel zueinander erzählt werden. Dieser Erzählstrang wird immer wieder Anlass geben zu hintergründigen Erklärungen und Bezügen zu vergleichbaren Problemen in anderen Megastädten“.

Nach Prognosen von Klimatologen wird es in Mexiko-Stadt wie auch in vielen anderen Regionen der Welt noch heißer und noch trockener werden. So trocknet Amerikas Südwesten aus, wie eine Dokumentation des „Auslandsjournals“ 2023 zeigte. Und die Wasserversorgung in Afrika ist schon jetzt katastrophal.

Der Kampf ums Wasser wird unweigerlich ausbrechen und ist es teilweise schon, beschrieben z.B. in dem Buch von Rahmig. Die Dürre in afrikanischen Ländern führt jedes Jahr zu Hunderttausenden Toten und viel Leid. Ohne Wasser kein Leben. „Der Klimawandel befeuert die Verteilungskämpfe um Wasser, gewalttätige Auseinandersetzungen um die wertvolle Ressource sind an der Tagesordnung. Ob bei den Protesten im Irak, im Syrienkrieg, am Himalaya, beim Nilkonflikt und an vielen weiteren Orten – Wasser ist schon heute Kriegsgrund und wird als politisches Machtmittel missbraucht“.

Weltweite Wasserengpässe gefährden in Verbindung mit bewaffneten Konflikten und zunehmender Trockenheit in vielen Ländern den Frieden. Wasser wird zum politischen Machtmittel, zum Anlass für Konflikte im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit.

Die Autoren des hier besprochenen Buches zeigen auf anschauliche und sehr gut lesbare Weise, dass nicht nur etwas getan werden muss, sondern auch getan werden kann, nicht nur in der weltweiten Klimapolitik, sondern auch konkret an Ort und Stelle. Dann und nur dann gibt es auch für den Axolotl, dessen Verschwinden schon besiegelt zu sein schien, noch Hoffnung.

„Wer den Axolotl rettet, kann auch Größeres tun“. Schaffen wir das? Das Buch gibt darauf keine Antwort, aber es befasst sich auf eine gleichermaßen aktuelle wie nachvollziehbare und anschauliche Art und Weise mit einer der wesentlichen Herausforderungen für die Sicherheit der Menschheit in den kommenden Jahrzehnten. Dabei ist es durch seine Gestaltung und die Art und Weise, wie die Autoren schreiben, sehr gut lesbar – was man leider nicht von allen Büchern behaupten kann, die sich mit grundlegenden Problemen unseres Planeten beschäftigen.

Thomas Feltes, März 2025