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VG Stuttgart 11.4.2019: IDF und Europarecht

Entscheidung zur Unzulässigkeit von faktischen Grenzübertrittskontrollen

Den unionsrechtlichen Vorgaben an einen „Rechtsrahmen“, der gewährleistet, dass die praktische Ausübung der Befugnis zur Durchführung von Identitätskontrollen nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann, genügt § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG auch nach Inkrafttreten des Erlasses des Bundesministeriums des Inneren zur Anwendung von § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG vom 7. März 2016 (GMBl. 2016, S. 203) nicht (entgegen OVG Saarland, Urteil vom 21.02.2019 – 2 A 806/17 -, juris).

http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&Art=en&az=1%20K%202888/18&nr=28120

BVerwG 3.5.2019: Durchsetzung einer versammlungsrechtlichen Verfügung auf der Grundlage des allgemeinen Polizeirechts

Bundesverwaltungsgericht zum Versammlungsrecht

Das BVerwG hält an seiner die Polizei(rechts)festigkeit des Versammlungsgeschehens aushöhlenden Rechtsprechung ausdrücklich fest und stellt zur Zwangsanwendung darüber hinausgehend fest: „Fehlt es an speziellen Regelungen zur Vollstreckung der auf versammlungsrechtlicher Grundlage erlassenen Verfügungen, steht die von Art. 8 Abs. 1 GG geschützte Versammlungsfreiheit dem Rückgriff auf die allgemeinen landesrechtlichen Regelungen nicht entgegen.“  Soweit dies die Zwangsanwendung allein betrifft, mag man dem zustimmen. Im Übrigen findet sich aber auch  in der neueren Polizeirechtsgesetzgebung eine aus meiner Sicht fatale Tendenz, durch Zitierung des Art. 8 GG die Grenzen von Polizeirecht und Versammlungsrecht weiter aufzuweichen. Eine solche Aufweichung ist auch die Befugnis zur IDF zu Verhinderung von Verstößen gegen das VersG, die selbstredend einschüchternde Wirkung mit Blick auf die Ausübung der Versammlungsfreiheit haben. Eine grundrechtliche sichere Abgrenzung von Maßnahmen nach dem niedrigeren tatbestandlichen Anforderungen stellenden Polizeirecht einerseits und dem Versammlungsrecht andererseits wird so auf die Polizei im Einzelfall verlagert, was die ohnehin hohe Fehleranfälligkeit versammlungsbezogener Maßnahmen weiter erhöht.

https://www.bverwg.de/030519B6B149.18.0

Tobias Kulhanek – Die Sprach- und Ortsfremdheit von Beschuldigten im Strafverfahren – Rezensiert von: Leif Artkämper

Kulhanek, Tobias Dr. ; Ortsfremdheit von Beschuldigten im Strafverfahren; (ISBN: 978-3-428-15721-1 , 385 Seiten, Duncker & Humblot Verlag, Berlin, 2019, 99,90.- €)

Das Buch, zugleich eine im Jahr 2018 von der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg angenommene Dissertation des Verfassers, widmet sich dem deutschen Umgang mit sprach- und ortsfremden Beschuldigten im Lichte des unionsrechtlichen Diskriminierungsverbots (Art. 18 AEUV) und damit einem immer bedeutsamer wer­denden Spannungs­feldes. Continue reading Tobias Kulhanek – Die Sprach- und Ortsfremdheit von Beschuldigten im Strafverfahren – Rezensiert von: Leif Artkämper

Christoph Keller – Persönlichkeitsrecht von Polizeibeamten – Polizeibeamte im Spannungsverhältnis zwischen Amtsträger und „Bürger in Uniform“ – Rezensiert: Bijan Nowrousian

Keller, Christoph; Persönlichkeitsrecht von Polizeibeamten – Polizeibeamte im Spannungsverhältnis zwischen Amtsträger und „Bürger in Uniform“; VDP-Verlag, Hilden 2019; 480 Seiten; ISBN 9783801108243, 34.90 Euro

Fotos von sich während der Begleitung einer Demonstration, abwertende Kommentare im Rahmen einer Kontrolle, „Hausbesuche“ durch Beschuldigte – muss man sich dies als Polizeibeamter gefallen lassen? Diese Fragen sind leider nicht nur theoretischer Natur. Der spürbar abnehmende Respekt zumindest in politisch extremen und in kriminogenen Milieus gegenüber der Polizei lassen Grenzüberschreitungen gegenüber eingesetzten Beamten mehr und mehr zum Regelfall werden, auch bis in den privaten Bereich hinein. Was also muss man sich als Polizeibeamter hier „bieten lassen“? Wo ist die Grenze erreicht, an der man solches Verhalten rechtlich abwehren darf? Continue reading Christoph Keller – Persönlichkeitsrecht von Polizeibeamten – Polizeibeamte im Spannungsverhältnis zwischen Amtsträger und „Bürger in Uniform“ – Rezensiert: Bijan Nowrousian

Uwe Füllgrabe – Psychologie der Eigensicherung. Überleben ist kein Zufall – Rezensiert von: Thomas Feltes

Füllgrabe, Uwe; Psychologie der Eigensicherung. Überleben ist kein Zufall; Richard Boorberg Verlag, 2019, 8., aktualisierte und erweiterte Auflage, 348 S.; ISBN 978-3-415-06486-7, gebunden 34,90 Euro, als e-Book 33.- Euro.

Wenn ein Buch damit beworben wird, dass es eine „Tatsache“ sei, „dass sich in der letzten Zeit nicht nur Angriffe auf Polizisten häufen, sondern auch auf Feuerwehrleute und Rettungskräfte“ und dies die Notwendigkeit dieses Buches belege, dann wird man als Kriminologe hellhörig. Denn der Anstieg, von dem hier ausgegangen wird, ist nicht belegt, wird aber oft (vor allem von Polizeigewerkschaften) behauptet. Angestiegen ist sicherlich die öffentliche Wahrnehmung dieses Problems, und angestiegen sind auch die Klagen von Polizeibeamt*innen und Einsatzkräften über Gewalt im Einsatzalltag. Continue reading Uwe Füllgrabe – Psychologie der Eigensicherung. Überleben ist kein Zufall – Rezensiert von: Thomas Feltes