Buchbesprechungen

Oliver von Dobrowolski: »Ich kämpfe für eine bessere Polizei«. Rezensiert von Thomas Feltes

Oliver von Dobrowolski, »Ich kämpfe für eine bessere Polizei« – #Better Police. S. Fischer-Verlage Frankfurt 2022, ISBN: 978-3-10-397140-8, 240 S., 18.- EUR

Mit dem Hashtag #BetterPolice, der sich auch auf dem Buchcover findet, will Oliver von Dobrowolski, der seit 23 Jahren bei der Polizei in Berlin arbeitet, „ein leidenschaftliches Plädoyer für eine bessere Polizei“ vorlegen. Er beobachte, so der Verlag in seiner Ankündigung des Buches, „mit Sorge die Entwicklungen innerhalb der Polizei, rechtsextreme Chatgruppen, rassistisches Verhalten, Gewalt und Diskriminierungen“. Dies kenne er nur zu gut aus seinem Berufsalltag. Ist hier ein Nestbeschmutzer, ein „Gutmensch“ oder ein Sisyphus unterwegs, der nicht müde wird, den Stein, der immer wieder nach unten rollt, wieder hinaufzubefördern? Denn dass es (auch massive) Probleme in und mit der Polizei gibt, kann man nicht (mehr) leugnen. Continue reading Oliver von Dobrowolski: »Ich kämpfe für eine bessere Polizei«. Rezensiert von Thomas Feltes

Nahlah Saimeh: Das liebe Böse. Warum wir gut sein wollen und nicht können. Rezensiert von Thomas Feltes

Nahlah Saimeh: Das liebe Böse. Warum wir gut sein wollen und nicht können. Verlag Fischer & Gann, Bielefeld 2022, 128 S., ISBN 9783958835627, 15.- Euro

Wer will nicht „gut“ sein? Und wem geling das „immer und überall“? Der Song „Das Böse ist immer und überall“ der österreichischen Band „Erste allgemeine Verunsicherung“ war 1986 ein Hit. Ein geplanter Banküberfall geht gründlich schief. Danach sollen in München die Banküberfälle um das doppelte angestiegen sein[1]. Das Böse scheint tatsächlich immer und überall zu sein. Aber was genau ist „das Böse“, woher kommt es, wie entsteht es? Es ist, wie Nahlah Saimeh am Ende ihres Buches schreibt „nicht un-menschlich, sondern es ist zutiefst menschlich in dem Sinne, dass es der Natur den Menschen innewohnt“ (S. 108). Auf der anderen Seite wird durch dämonisierendes Denken und die damit einhergehende Negation des Menschseins „systematisch am Zusammenbruch der Empathie gearbeitet“ (S. 109) – der Empathie, auf der unsere Gesellschaft aufgebaut ist und (nur) mit der sie funktionieren kann. Oder mit den Worten von Saimeh: „Der Zusammenbruch grundlegenden Mitgefühls entsteht dadurch, dass man nicht mehr Willens oder in der Lage ist, in dem anderen eben auch sich selbst zu sehen – und zwar zuweilen durchaus mit den Anteilen, die man bei sich selbst ausblendet“ (S. 117). Ein wahrlich spannendes Buch für jede*n der dem Bösen auf den Grund gehen und die Ursache der eigenen schlechten Gedanken finden möchte. Continue reading Nahlah Saimeh: Das liebe Böse. Warum wir gut sein wollen und nicht können. Rezensiert von Thomas Feltes

Benjamin Derin, Tobias Singelnstein: Die Polizei: Helfer, Gegner, Staatsgewalt. Inspektion einer mächtigen Organisation. Rezensiert von Thomas Feltes

Benjamin Derin, Tobias Singelnstein: Die Polizei: Helfer, Gegner, Staatsgewalt. Inspektion einer mächtigen Organisation. Econ/Ullstein-Verlag, Berlin 2022, Hardcover mit Schutzumschlag, 448 Seiten, ISBN: 9783430210591, 24,99 Euro.

Benjamin Derin und Tobias Singelnstein haben 37 Jahre nachdem erstmals nach Ende des zweiten Weltkrieges eine kritische Bestandaufnahme der deutschen Polizei von Heiner Busch, Albrecht Funk, Udo Kauß, Wolf-Dieter Narr und Falco Werkentin[1] vorgelegt worden war, nunmehr eine ebenso kritische, allerdings anders ausgerichtete Bestandsaufnahme der Arbeit der Institution Polizei, ihrer Mitarbeitenden und der aktuellen Diskussion um und mit der Polizei veröffentlicht.

Anders ausgerichtet deshalb, weil sich natürlich die Schwerpunkte, unter denen man sich mit der Institution Polizei beschäftigen muss, verändert haben; anders ausgerichtet aber auch, weil die Autoren kein wissenschaftliches Buch im engeren Sinne schreiben wollten, sondern ein Buch, das verständlich, aber wissenschaftlich fundiert, die Institution Polizei beschreibt, ihre Struktur und Funktionen erläutert und vor allem auf die Kritik eingeht, die seit geraumer Zeit an der Polizei geübt wird. Continue reading Benjamin Derin, Tobias Singelnstein: Die Polizei: Helfer, Gegner, Staatsgewalt. Inspektion einer mächtigen Organisation. Rezensiert von Thomas Feltes

Norbert Nedopil, Jérôme Endrass, Astrid Rossegger, Thomas Wolf. Prognose: Risikoeinschätzung in forensischer Psychiatrie und Psychologie. Rezensiert von Thomas Feltes

Norbert Nedopil, Jérôme Endrass, Astrid Rossegger, Thomas Wolf. Prognose: Risikoeinschätzung in forensischer Psychiatrie und Psychologie. Ein Handbuch für die Praxis. Pabst-Verlag Lengerich, 2021, Hardcover, 368 Seiten, ISBN 978-3-95853-554-1, 60,00 €. PDF ISBN 978-3-95853-555-8, 40,00 €.

Kaum ein größeres Strafverfahren findet statt, ohne dass Prognosegutachten erstellt oder zumindest entsprechende Überlegungen angestellt werden. Dabei geht es meist um die Frage einer möglichen Sicherungsverwahrung nach der Haft. Noch relevanter sind solche Gutachten aber bei der Frage einer (vorzeitigen) Entlassung aus Strafhaft, Sicherungsverwahrung oder Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt. Hier spielen psychiatrische[1] Gutachter eine, meist sogar die entscheidende Rolle. An ihnen orientiert sich das Gericht in seiner Entscheidung, meist weniger, weil man selbst keine Einschätzung dieses Risikos vorzunehmen in der Lage zu sein glaubt, sondern eher, um sich abzusichern und seine eigene Entscheidung zu erleichtern. Denn wenn man den oder die Gutachter*in als „kompetent“ bewertet (und das muss man ja, da man sie oder ihn selbst ausgewählt hat), ist man selbst für seine eigene Entscheidung nicht mehr verantwortlich. Continue reading Norbert Nedopil, Jérôme Endrass, Astrid Rossegger, Thomas Wolf. Prognose: Risikoeinschätzung in forensischer Psychiatrie und Psychologie. Rezensiert von Thomas Feltes

Ackermann, Rolf, Clages, Horst, Roll, Holger; Handbuch der Kriminalistik. Rezensiert von Thomas Feltes

Ackermann, Rolf, Clages, Horst, Roll, Holger; Handbuch der Kriminalistik, Kriminaltaktik für Praxis und Ausbildung; Boorberg Verlag, 6. Auflage, Berlin 2022, 753 Seiten, € 49,00; ISBN 978-3-415-06991-6

Ein „Handbuch der Kriminalistik“ will zweierlei sein: Ein Nachschlagewerk (die praktischen Schwierigkeiten beim „Nachschlagen“ werden am Ende thematisiert) und ein Lehrbuch, das sämtliche Bereich der (wissenschaftlichen) Kriminalistik abdeckt. Geht sowas? Der Rezensent der 5. Auflage des Werkes, Patrick Rohde, hatte 2019 angemerkt, dass der Spagat, den das Buch zu leisten versucht, nicht unproblematisch ist. „Dem Praktiker wird es an manchen Stellen zu theoretisch für einen schnellen Überblick/Hilfestellung werden (bspw. Hinführung zur Fallanalyse). Demjenigen, der an der theoretischen Grundlage interessiert ist (Aus- und Fortbildung), an anderer Stelle aber ggf. zu handlungsleitend und nicht erklärend genug“. Genauso ist es (leider) geblieben. Continue reading Ackermann, Rolf, Clages, Horst, Roll, Holger; Handbuch der Kriminalistik. Rezensiert von Thomas Feltes